top of page

Der Mensch – Ein Wesen der Mitte

„Das Finden der Mitte ist der Schlüssel zum Glück!“, so heißt es im Volksmund. Einfacher gesagt als getan. In einer Gesellschaft, die vor Multitasking und Erschöpfung kaum noch atmen kann, scheinen Mitte und Gleichgewicht unerreichbar. Das Symbol des Baumes hilft uns, unsere Bestimmung zu erkennen. Wenn wir verstehen, welche Weisheit in ihm verborgen ist und welch uralten Bund sie erfüllt, können wir wahrhaft Mensch werden.



Inhalt



Die Symbolik verstehen

Der Mensch ist ein Wesen der Mitte in einer dualen Welt. Wie weit wir auch zurückgehen, darin scheinen sich alle einig: Mythologie, uralte Mysterien, heidnisches Brauchtum, Religion, Geisteswissenschaft, Philosophie. Überall findet sich die Symbolik des Menschen zwischen zwei Polen, die gleichen Ursprungs aber gegensätzlicher Natur sind.


Der Mensch zwischen:


  1. Himmel und Hölle

  2. Licht und Finsternis

  3. Geist und Materie

  4. Liebe und Hass

  5. Baum des Lebens und Baum des Todes

  6. Geburt und Tod

  7. Wahrheit und Lüge

  8. Materialismus und Idealismus


Auch über den Ursprung des Menschen besteht Einigkeit. Er entspringt dem einen großen Geist, dem Urquell, Allah, Jehova, Jahwe oder Gott und ist ihm dadurch in seinem Wesen gleich.


Die Natur wird als Spiegelbild verstanden, die durch Spaltung des Ursprungs in Kosmos und Natur zur dualen Wirklichkeit (Materie) wird. Durch das Erleben der Gegensätze soll der Mensch das Bewusstsein erlangen, aus eigener Kraft und freiem Willen diese in sich ins Gleichgewicht zu bringen, zu überwinden und wieder rein zu werden, um zu Gott zurückkehren zu können. Erst beim Warum scheiden sich die Strömungen. Während es im kirchlich religiösen Kontext um Strafe und Buße geht, geht es im spirituellen und geisteswissenschaftlichen Kontext darum, frei zu werden.


Das Symbol des Baumes

Eine beeindruckende Übereinstimmung, die alle Kulturen und Zeitalter bis heute eint, finden wir im Symbol des Weltenbaumes, der als Ursprung aller Schöpfung in der Mitte der Welt aus dem Urmeer (Urgeist) wächst. Er trägt mit seiner Krone den Himmel und greift mit seiner Wurzel tief in die Unterwelt (das Innere der Erde). Dazwischen, auf der Erdoberfläche, lebt der Mensch.

Baum des Lebens


Der Weltenbaum (Einheit mit 2 Polen) in den verschiedenen Kulturen:


  1. Baltische Kultur: Austras Koks

  2. Germanische Kultur: Yggdrasil

  3. Griechische Kultur: Baum der Hesperiden

  4. Indische Kultur: Asvattha Baum

  5. Kultur der Maya: Wacah Chan

  6. Persische Kultur: Simorgh Baum

  7. Hebräische Kultur: Kaballah




Im christlichen Kontext erkennen wir dieses Gleichnis in den zwei Bäumen im Paradies (der Einheit). In dem Moment, in dem sich der Mensch für einen Baum entscheidet (von ihm isst), spaltet er die Einheit in die Dualität und wird aus dem Paradies auf die Erde vertrieben (geboren).


Die Spaltung des Weltenbaumes im Schöpfungsakt

Leben und Tod sind die Manifestationen der beiden gegensätzlichen Pole, die in der Einheit des Geistes (im ewigen Leben) vorhanden sind. Der Weltenbaum mit Wurzel und Krone, die ineinander zu einem Kreislauf verflochten sind, symbolisiert diese Einheit. Die Pole, die sich im Schöpfungsakt auf der Erde zu Gegensätzen manifestieren, sind:


  1. Der Baum des Lebens: (Vorgeburtliche und nachtodliche Existenz als geistiges Wesen in der geistigen Welt)

  2. Der Baum der Erkenntnis und des Todes: (Leben in einem Körper als inkarniertes geistiges Wesen in der materiellen Welt)

Diese beiden Bäume finden wir auch als Manifestation im menschlichen Körper als Rotes Blut (Baum des Lebens) und Blaues Blut (Baum des Todes).


Die schöpferische Kraft Gottes, die das blaue Blut ständig erneuert, finden wir im Atem des Menschen als Spiegelbild zum Odem Gottes.


Der heilige Bund zwischen Mensch und Baum

Die uralte heilige Verbindung zwischen Baum und Mensch, die dieser Symbolik zugrunde liegt, finden wir in der Atmung, die allen Lebens zugrunde liegt. Sie ist ein Gleichnis dafür, dass Gegensätzlichkeit nur eine Illusion ist, eine Spaltung des gemeinsamen Ursprungs.


  • Wir atmen den Sauerstoff ein, den die Bäume ausatmen.

  • Der Baum atmet Kohlendioxid ein, das wir ausatmen.


Dieses Wissen zeigt sich noch heute in der Achtsamkeit, mit der indigene Völker der Natur begegnen. Es erneuert sich im wachsenden Bewusstsein, mit dem sich immer mehr Menschen im Angesicht der Zerstörung unserer Umwelt dieser Achtsamkeit erinnern und den Bund mit den Bäumen bewusst erneuern.


Der Mensch ist in die Natur eingebunden. Wenn er sie zerstört, zerstört er sich selbst. Nun verstehst du, warum allen Urvölkern die Bäume heilig waren. Vielleicht kennst du den Film Avatar von James Cameron. Er erzählt ebenfalls von dem Gleichnis des heiligen Bundes zwischen Menschen und Baum.


Die wichtigste Erkenntnis ist, zu verstehen, dass erst durch Spaltung der Einheit neues Bewusstsein entstehen kann. Genau aus diesem Grund wird in unserer Zeit, der Zeit des großen Wandels, so viel gespalten (geurteilt, gewertet). Die Corona-Pandemie hat dieses Verhalten in besonderem Maße ans Licht gebracht. Warum? Weil der Mensch an der Schwelle eines gigantischen Bewusstseinssprungs steht, dessen Ziel es ist, die Spaltung (Trennung, Egoismus) zu überwinden. Schöpferkraft ist die stärkste Kraft, die Urkraft, die göttliche Kraft, die Kraft des Erschaffens und stetigen Erneuerns, gewaltig, unfassbar!



Die Notwendigkeit des Leidens durch Spaltung

In der Dualität, der Spaltung, liegt der Ursprung allen Schmerzes und der Bewusstseinsentwicklung.

Das Böse (Schmerz, Leid, Ungerechtigkeit) ist weder Feind noch Freund, es ist eine irdische Notwendigkeit und ermöglicht uns die freie Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten und zur Entwicklung. Du kannst dir das sehr schön an den nachfolgenden Beispielen verdeutlichen:


Beispiele für Spaltung


  • Durch Spaltung der Einheit entsteht Dualität, Gegensätze.

  • Durch Spaltung von Gleichgewicht entsteht Ungleichgewicht (Krankheit, Leid, Unfrieden …).

  • Durch Spaltung eines einheitlichen Geistes entstehen Individuen.

  • Durch Spaltung eines ganzheitlichen Denkens (Holistisches Denken) entsteht individuelles Denken (Meinungen, Überzeugungen).

  • Durch Spaltung von Wahrheit entstehen Lüge und Irrtum (das Böse/Sünde)

  • Durch Spaltung des Atoms entsteht Energie (Licht und Kraft)


Nur durch Spaltung und anschließende Durchdringung der Gegensätze, entsteht Bewusstsein und die Möglichkeit auf Freiheit und eigene Schöpferkraft. Mit diesem Hintergrund können wir z. B. die Corona-Krise ganz anders verstehen und die vielfache Spaltung, der wir in dieser Zeit ausgesetzt waren. Spaltung ist der Grund aller Konflikte. Verschiedene Vorstellungen, Meinungen, Wünsche, Begierden treffen aufeinander, ringen miteinander oder führen Krieg gegeneinander.


Kämpfen oder Verbinden


  • Ein niederes Bewusstsein kämpft innen und außen um den Sieg und beabsichtigt die Zerstörung des Gegners (des Gegensatzes). So zerstören wir z. B. durch Hass zuerst den äußeren Gegner und letztlich uns selbst.


  • Ein hohes Bewusstsein kämpft nicht, es überwindet im Innern und verbindet im Außen. durch die Überwindung des inneren Gegners erlösen wir diesen. In dem wir uns mit dem äußeren Gegner verbinden, erschaffen wir ein Gleichgewicht, eine neue Einheit.


Nur durch Spaltung der Einheit in Teile, ist Bewusstsein (Verstehen des einzelnen Teils) möglich. Nur durch Bewusstseinsentwicklung ist Erkenntnis (des Ursprünglichen im Einzelnen) möglich und nur durch Zusammenführung der Einzelteile in eine neue Einheit, ist Heilung auf einer höheren Evolutionsstufe möglich. Dieser Prozess findet sowohl in jedem Individuum wie auch kollektiv in der gesamten Menschheit statt.



Diese Symbolik finden wir auf vielen religiösen Darstellungen von Jesus und Maria durch das flammende Herz, das von einem Dornenkranz (Christus) oder einer Kette aus Rosenblüten (Maria) umschlossen wird. Oft wird es auch von einem Schwert durchbohrt. Es ist das Symbol für die Überwindung des Egos zur Liebe.



Die drei Bewusstseinsebenen in der Seele

Immer mehr Menschen erkennen, dass im Erforschen der materiellen Natur nicht alle Fragen beantwortet werden (durch die Naturwissenschaft). So entstand Anfang des 20. Jahrhunderts (1901-2000) unter anderen die anthroposophische Geisteswissenschaft und mit ihr eine neue Art des Denkens, das holistische (ganzheitliche) Denken, das die Grundlage für das 21. Jahrhundert (2001-2100) legte, welches uns durch das Verstehen der Materie zu ihrem Ursprung, dem Geist zurückzuführen beginnt.


1. Sinneswahrnehmung – Ich finde vor und begreife.

  • Emotion= Religion: begreifen, zuordnen, glauben – aber noch nicht verstehen.

  • Der Vatergott wirkt im Körper, durch die Sinnesorgane und das Unterbewusstsein


2. Verstand – Ich frage und verstehe einen Teil.

  • Intellekt= Naturwissenschaft: Zerlegen (spalten), analysieren und verstehen (aber nur an der Materie).

  • Der Sohnesgott wirkt im ICH, durch den Intellekt im Verstand.


3. Spiritualität – Ich erkenne den fehlenden Teil (den Geist) und antworte.

  • Intuition= Geisteswissenschaft: Erkennen, verbinden (wieder ganz machen).

  • Der Heilige Geist wirkt durch die höheren geistigen Wahrnehmungsorgane im Selbst.


Wir erkennen also, dass Naturwissenschaft uns bewusstseinsevolutionär vom Unwissen, dem Glauben, befreit hat und zukünftig wird uns Geisteswissenschaft (spirituelles Bewusstsein) vom rein materialistischen Denken befreien und uns nach und nach erkennen lassen, dass wir vom Ursprung her geistige, ewige Wesen sind und nicht nur Körper oder biologische Maschinen.


Versuche diese Ausführungen einmal wertfrei zu betrachten. Es geht nicht um besser oder schlechter, sondern um die Evolution des menschlichen Bewusstseins. Die meisten von uns wechseln heute noch mehrfach am Tag zwischen diesen drei Bewusstseinszuständen hin und her. Weil Evolution auch im Bewusstsein nicht über Nacht passiert und auch selten innerhalb eines Lebens, sondern über einen langen Zeitraum.


Der neue Mensch in der neuen Welt gleicht einem Baum, einer Esche, die drei Wurzeln hat. (…) Yggdrasil nannte man die Weltesche, in der sich die Weltenkräfte zusammengezogen hatten. Ein Mensch wird abgebildet in dem Moment, wo er sich seines Ich bewußt werden soll, wo aus seinem Innern heraustönen soll das Wort «Ich». «Yggdrasil» ist soviel wie «Ich-Träger». Ich-Träger ist dieser Baum. «Ygg» ist «Ich» und «drasil» ist derselbe Wortstamm wie «tragen».

~ Rudolf Steiner (GA101)



Die Mitte des Herzens als Ursprung der Schöpfung

Die Aufgabe des Menschen liegt darin, die Gegensätze der dualen Natur in seiner Mitte (Herz) zu einer neuen Einheit (Schöpferquelle) zu vereinen, um aus dieser selbst schöpferisch tätig zu sein. Anders als die Quelle/Gott, bleibt der Mensch auch als eigenständiges Schöpferwesen den universellen Gesetzen verpflichtet. So wird er zwar göttlich, aber ist niemals Gott.


Schöpfung wird erschaffen, wächst, vergeht und kehrt zum Schöpfer zurück, der sich durch seine Schöpfung immer wieder selbst erneuert.


Daher kommt die Weisheit, dass alles im Einen bereits existiert und nichts je wirklich verloren gehen kann (stirbt), sondern sich nur stetig erneuert.

Das ist die Trinität, die jeder Schöpfung zugrunde liegt.

Trinität






Die drei ewigen geistigen Prinzipien und ihre Spiegelung in der irdischen Natur und dem Wesen des Menschen:








GOTT = Einheit ist Sein | Vaterkräfte | Geist – Licht | + Plus

Schöpfung – Entwicklung – Erneuerung 1. Licht, Bewegung, Form 2. Vater, Sohn, Heiliger Geist 3. Warheit, Freiheit, Liebe NATUR = Dualität spiegelt Einheit | Mutterkräfte | Heiliger Geist | Form | – Minus

Treiben – Wachsen – Vergehen 1. Wurzel, Stamm, Krone 2. Samen, Blüte, Frucht 3. Nähren, Kräftigen, Verwandeln


MENSCH = Durchdringung bildet Bewusstsein | Sohneskräfte | Seele | Bewegung | +/- Mitte

Geburt – Leben – Tod 1. Körper, Seele, Geist 2. Denken, Fühlen, Wollen 3. Erfahrung, Läuterung, Erleuchtung


Was es uns schwierig macht, diese Symbolik zu verstehen, ist, dass unsere dreidimensionale Vorstellung auf Erfahrung und Bildern einer dualen Welt basiert (oben/unten, links/rechts, vorne/hinten). Das Universum ist aber multidimensional d. h., alle Dimensionen durchdringen sich permanent.

Die Grafik zeigt uns wunderschön, wie das dritte Bewusstseinselement der Erneuerung (Eigenschöpfung) die ursprüngliche Einheit und die aus ihr entstandene Dualität in einer neuen Dreiheit umschließt. Aus der Einheit, die die Zweiheit in sich trägt, wird also eine Dreiheit, die (3-dimensional gesehen) die Einheit und Dualität in sich trägt.

Die Dreifaltigkeit (Trinität) ist eine Erneuerung, eine Variation des Ursprungs. Sie ist nur durch ihn möglich (ihm gleich) und doch nicht die Einheit selbst.



Das Symbol des Kreuzes

Die Bestimmung des Menschen ist es, die durch Spaltung entstandenen Gegensätze in sich zu harmonisieren und so zu erneuern. Damit verbindet er Krone und Wurzel des Baums des Lebens und des Baums des Todes. Diese Dreiheit in der neuen Einheit finden wir im Symbol des Kreuzes.

  • Der vertikale Balken stellt den Geist, das Göttliche oder das Ewige dar (Baum des Lebens)

  • Der horizontale Balken stellt das irdische Leben innerhalb der Materiellen Dimension von Zeit, Form und Raum dar (das Begrenzte).

  • Der Punkt, an dem sich beide kreuzen ist der Lage des Herzens entnommen, wenn wir den Körper des Menschen „ans Kreuz nageln“, darüberlegen. Er symbolisiert die Erneuerung der Einheit in der Mitte des Herzens, in uns selbst. Bei den Rosenkreuzern wird das durch die aufblühende Rose dargestellt. Hier entsteht die Durchdringung, das Bewusstsein.


Der gekreuzigte Christus ist also im höchsten spirituellen Verständnis ein Symbol für die Erneuerung seiner Botschaft in uns selbst. Die Botschaft ist die göttliche bedingungslose Liebe, die sich evolutionär in Liebe und Egoismus gespalten hat, durch Bewusstseinsentwicklung in menschliche bedingungslose Liebe zu verwandeln, aus eigener freier Entscheidung.


Das Kreuz ist das erneuerte Symbol des Weltenbaumes, dessen Krone und Wurzelstock miteinander verschlungen sind. Es wurde nicht von den Christen erfunden, sondern bestand schon lange vorher neben dem Symbol des Weltenbaumes in den Urkulturen der Menschheit.


All diese Bilder entspringen dem Bewusstsein und kulturellen Kontext der Zeit, in der sie entstanden sind, weil sie sich als Gleichnis für die breite Masse des weitgehend ungebildeten Volkes eigneten. Nur so dürfen sie verstanden und entschlüsselt werden. Wer alte Texte mit dem heutigen abstrakten Begriffsverständnis begegnet, dem können sie nur unsinnig und seltsam vorkommen.


Fazit

Der Mensch ist ein Geschöpf seines Schöpfers, mit der Bestimmung, als Wesen der Mitte, durch die Verbindung der Gegensätze einer dualen Welt, eine neue Einheit und ein neues Gleichgewicht in sich zu erschaffen und sich so innerhalb der ursprünglichen Schöpfung vom Geschöpf zum Schöpfer zu entwickeln.



Comments


bottom of page